„Ich werde älter“ denke ich mir, während ich langsam wach werde. Alles fühlt sich schwer an, energielos, gebremst. Ich klettere aus meiner Koje und ächze und stöhne dabei. Dann erinnere ich mich an die Wrestling-Session mit dem Schlauchboot tags zuvor. So macht sich, als ich versuche den Wasserkessel zu füllen und auf den Herd zu heben, auch die Mutter aller Muskelkater bei mir bemerkbar. Glück gehabt, doch nicht alt, nur gebeutelt. Erst einige Tage später werde ich zufällig beim Haare kämmen im Spiegel die wirklichen Spuren meines Einsatzes entdecken, in Form eines majestätischen blauen Flecks am linken Oberarm. Ein weiterer Nachteil des Einhandsegelns: Es sagt dir keiner, wie verprügelt du aussiehst.
Mittlerweile hat sich das Wetter wieder beruhigt und tut geradezu so, als sei nichts passiert. Windstille, strahlender Sonnenschein, die Vögel zwitschern. Also setze ich mich mit meiner frischen Tasse Filterkaffee ins Cockpit und schmiede einen Plan.
Wer hat hier ’ne Schraube lose?!
Zunächst muss ich mal wieder manövrierfähig werden, also wird mein nächster Punkt auf der Tagesordnung sein, die intime Verbindung zwischen Strecktau und Welle zu lösen. Dazu zwänge ich mich in meinen Neoprenanzug, schnall mir den mit Blei beladenen Tauchgürtel um, bändsel alles mögliche an Werkzeug und ein scharfes Messer an mir fest, putze noch kurz die Tauchmaske, such den Schnorchel, finde den Schnorchel und kaum 30 Minuten später bin ich auch schon einsatzbereit. Also ab die Post!
Im Wasser dann ein beherzter Schnitt, um das Strecktau zu entspannen, anschließend die paar Umwicklungen von der Welle genommen, et voilà, alles wieder frei. Drei bis fünf Minuten hat es gedauert. Wieder aus dem Neo rauszukommen wird länger dauern. Sicherheitshalber einmal den Diesel angeworfen, vorwärts und rückwärts Gas gegeben. Läuft alles rund.
Nächster Patient, bitte!
Ab in die Motoren-Werkstatt, jetzt ist der Mercury dran. Ordentlich mit Süßwasser geduscht hatte ich ihn schon am Tag seiner unfreiwilligen Tauchstunde. Jetzt geht es darum, ihn wieder trockenzulegen. Zunächst kommt der Luftfilter ab, dann wird der Vergaser ausgebaut. Diesen nehme ich noch weiter auseinander und gönne ihm ein ordentliches Bad in WD 40. Die Zündkerze muss ich ein wenig rausfluchen, aber unter dem Einfluss sanfter Gewalt gibt auch sie irgendwann nach. Wer zunächst auf gar keinen Fall loslassen möchte, ist die Ölablassschraube. Praktischerweise ist das auch die einzige Schraube, die Mercury überlackiert hat. Selbstverständlich habe ich aber ausreichend Azeton an Bord, so ist die Lackierung an dieser Stelle bald nicht mehr und dann kann ich auch das Öl ablassen. Dabei kommt tatsächlich doch einiges an Wasser mit raus. Nachdem ich neues Öl wieder eingefüllt habe, drehe ich ohne Zündkerze den Motor ein bisschen durch.
Das Spiel werde ich innerhalb der nächsten beiden Tage insgesamt drei Mal machen, bevor ich alles wieder zusammenbaue, der Bertl aufpumpe und dann der entscheidende Augenblick kommt. „Wird er starten? Und wenn ja, wird er rund laufen?“. Das Benzin habe ich selbstverständlich auch ausgewechselt und die Leitungen gespült. Nun ziehe ich beherzt an der Starterleine, einmal, zweimal und da, beim dritten Mal springt er an. Da ich etwas Öl bei der Zündkerze eingefüllt habe, hinterlässt der Mercury zunächst noch eine hässliche blaue Wolke, diese verzieht sich aber bald. Entsprechend der Empfehlungen lasse ich den Motor rund eine halbe Stunde vor sich hinlaufen, damit durch die entstehende Hitze auch das letzte Wasser verdampfen kann. Muss nur noch wer aufräumen.
Jetzt wird hier entspannt!
Welle und Außenborder sind gerettet und damit kann ich mich wieder meinem eigentlich Plan widmen. Denn: Das Winterlager ist gebucht und der Krantermin steht fest. Am 10. Oktober wird Robulla ihren Winterschlafplatz beziehen und bis dahin möchte ich noch ein bisschen an der Cote d’Azur rumchillen. Genauer gesagt, will ich auf jeden Fall noch „les Voiles de Saint-Tropez“ ansehen, die am anstehenden Wochenende starten werden und anschließend mich auf den Weg nach Martigues begeben, wo noch ein bisschen was auf dem Programm steht.
Nachtrag zu „Trauma-Arbeit“
Wenn man ein ungefähres Gefühl dafür bekommen möchte, wie es mir am Tag davor ergangen ist, der kann sich das hier angucken. Denn Kiara und Adam von der Millenial Falcon ist exakt dasselbe passiert wie mir. Ich hatte zwar ein bisschen weniger Wind, dafür waren sie zu zweit.
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