Atlantik West nach Ost – Tiefentiere

Wir hängen nun den – wievielten eigentlich? – ich glaube vierten, vielleicht auch fünften Tag in der Flaute. Wir sind mit 560 Litern Diesel von St Maarten gestartet und haben nun noch ca. 180 Liter übrig. Laut Vorhersagen werden wir morgen wieder genug Wind haben, um ohne schlagende Tücher segeln zu können. Hoffentlich durch bis Horta. Auf jeden Fall werden unsere Treibstoffreserven ausreichen.

Zum Frühstück allerdings haben wir uns heute einen Moment der Ruhe gegönnt und den Motor ausgestellt. Nun fahren wir mit gesetzten Segeln und Motorunterstützung. Wir könnten zwar auch schon ohne, allerdings taktieren wir derzeit auch schon etwas auf unsere Ankunftszeit in Horta. Wir möchten nicht im Dunkeln einlaufen, da es dort voll ist und es dann sehr anstrengend ist, einen passenden Platz zu finden. Gleichzeitig wollen wir auch vermeiden, noch eine Nacht vor dem Hafen bzw. der Ankerbucht rumdümpeln zu müssen.

Gestern sind wir einem britischen Boot begegnet, der Cloud Jumper. Schon schräg. Man hängt hier im Nirgendwo und fährt so seinen Kurs vor sich hin und dabei fast einem anderen Boot ins Heck. Die Jungs hatten nicht so viel Diesel wie wir dabei und mussten deshalb segeln. Wobei es eher einem Treibenlassen nahe kam, bei 3 bis 5 Knoten Wind.

Was mich überrascht hat, war die wahrnehmbar andere Fauna, die sich bei Flaute offenbart. Wobei sie vermutlich sonst auch da ist, nur schwerer zu entdecken. Insbesondere die nahezu esoterisch anmutenden Portugiesischen Galeeren, mit ihren zart lila schimmernden Segelblasen sieht man bei glatten Wasser zuhauf. Diese Tiere, die auch gut dem Film ‚Avatar‘ entspringen könnten, gleiten in kleiner und größerer Ausführung an unserem Boot vorbei. Je nach Sonneneinfall sieht man dann allerdings, was sie zu schwierigen Zeitgenossen macht: Die bis zu zehn Meter langen Nesselfäden, die bei der leisesten Berührung unerträgliche Schmerzen auslösen können.

Deutlich seltener und absolut nur durch sehr viel Glück auf Bild festzuhalten und auch gut als Nebendarsteller in Fantasyfilmen vorstellbar sind die fliegenden Fische. Bei glatter See gleiten sie scheinbar ewig knapp über der Wasseroberfläche, um dann plötzlich wieder zu verschwinden.

Neben den bekannten Pläsir- (jenen, die in der Bugwelle spielen) und Termin-Delfinen (jenen, die noch was vorhaben und deshalb nicht spielen), die ab und an mal auftauchen, muss unter der Balu noch ganz viel mehr passieren. Unsere Tiefenanzeige zeigt bei Tiefen, die über 100 Meter liegen nur noch den zuletzt gemessenen Wert. Fast jeden Morgen steht allerdings eine andere Zahl in der Anzeige. Irgendetwas, irgendjemand muss also unter unserem Echolot vorbeigekommen und groß genug gewesen sein, um diese Zahl zu verändern. Das letzte Tiefentier hat unsere Anzeige auf 18,6 Meter eingestellt. Wir hatten dort auch schon mal 2 Meter stehen. Ich wünschte, wir hätten einen Glasboden in der Balu, sodass ich gucken könnte, wer da alles unter uns sein Unwesen treibt. Bei nur noch 20°C Wassertemperatur habe ich nämlich keine große Motivation, mal ins Wasser zu gehen und nachzugucken.

Nun denn. Heute ist Tag 14 auf See. Es liegen noch 670 Seemeilen vor uns. Geangelt haben wir übrigens immer noch nichts.

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