Heute ist Weltfrauentag und diesen möchte ich gerne zum Anlass nehmen, um diesen Post zu Dasein als Frau im Segelsport, der seit vielen Monaten in mir reift und der mir enorm am Herzen liegt, nun endlich zu veröffentlichen.
Ich habe noch nie etwas von den Ideen gehalten, wie sich welches Geschlecht zu verhalten hat. Ich bin in Bayern aufgewachsen und habe meinen katholischen Kindergarten bestreikt, weil man mich als Mädchen nicht mit der Werkbank spielen hat lassen. Meinen ersten hatte ich Computer mit 7 Jahren, parallel zu meinen Puppen und Barbies und Legos. Hinter mir liegt eine extensive Zockerkarriere und ich bin dem französischen Schulsystem unendlich dankbar, dass wir im Werkunterricht im Gymnasium geschlechtsunabhängig Löten lernen mussten und auch alle gestickt haben. Ich habe im Rettungsdienst meine Frau gestanden und schwere Patienten enge Treppenhäuser hinuntergetragen, genauso wie jede meiner anderen Kolleg:innen auch. Ich arbeite seit vielen Jahren in der IT.
Abgesehen von den armen verwirrten pubertierenden Jungs, die nicht so richtig wussten, was sie mit einer Frau unter 150 zockenden Kerlen auf einer LANparty anfangen sollten, bin in ich der gesamten Zeit nicht ein einziges Mal aufgrund meines Geschlechts so dermaßen in Frage gestellt worden, wie seitdem ich das Segeln angefangen habe.
Hallo?
Im Rahmen der boot Messe habe ich an einem Treffen aus einer Facebookgruppe heraus teilgenommen. Irgendwann standen zufällig alle Frauen zusammen und jede, wirklich jede, konnte mehrere Geschichten erzählen, wie wenig sie als Frau in Beratungsgesprächen oder anderen Situationen im Segelsport wahrgenommen worden war. Was die Frauen schon fast als normal empfanden, schockierte tatsächlich den einen oder anderen Mann, der berichtete, er habe es eigentlich nicht glauben wollen, aber nun habe er es live erlebt: Sie stellt eine Frage, ihm wird geantwortet. Ihrem Eigentum fügt jemand Schaden zu, mit einem zufällig anwesenden Mann, der gar nichts damit zu tun hat, wird gesprochen.
Immerhin konnte ich damit letztens jemanden zum Lachen bringen. Beim Brunch erzählte ich einer Freundin, dass ich einmal auf der Messe in Begleitung eines Mannes war und mir Boote anguckte. Ich habe meiner Freundin erzählt, dass, obwohl ich das Boot kaufen wollte und er keine Ahnung hatte, ihm technische Details erklärt wurden und man mir das Musterbuch mit den Vorhangstoffen vor die Nase hielt. In dem Moment musste zumindest mal die Dame am Nebentisch losprusten.
Was sagt dein Mann dazu?
Ich habe es gewagt nicht auf Booten aufzuwachsen. Das macht es beim ordentlichen deutschen Segler eh schon schwierig. Dann habe ich es weiterhin gewagt, nicht jahrelang auf Jollen zu segeln, habe nicht den Umweg über den Jollenkreuzer genommen, sondern habe mir direkt und ohne mit der Wimper zu zucken, ein Dickschiff angelacht. Die Reaktionen in der „Szene“? Ob ich mir das überhaupt leisten könnte. Ob ich wüsste, was das alles kostet. Wie ich das denn bewerkstelligen wollte, so ohne jegliche handwerkliche Ausbildung. Und was mein Mann eigentlich dazu sagen würde.
Manchmal habe ich mich zwischendurch gefragt, wie ich es nur schaffen konnte, all die Jahre allein zu überleben. So ohne Mann.
In manchen Häfen haben die Kerle tatsächlich „heimlich“ geguckt, wann denn endlich der Mann aus dem Boot kommt. Weil eine Frau allein auf einem Boot einfach nicht in ihr Weltbild passte.
Bin ich behindert?
Im Sommer 2021 bin ich unter anderem von Zeebrügge nach Nieuwport und dann nach Dünnkirchen gesegelt. Parallel zu mir segelte eine HR39. In Dunkerque kam ich mit dem Eigner ins Gespräch und wir haben ein paar Bier zusammen getrunken. Er war solo unterwegs, ich war solo unterwegs. Irgendwann kam vom ihm die als Kompliment gemeinte Aussage, dass das schon krass sei, was ich machen würde. Ich war etwas überrascht und entgegnete, dass er doch genau dasselbe machen würde. Ja, nein, meinte er, bei mir sei das schon krasser, weil ich das ja als Frau machen würde.
Ich verstehe, dass Bemerkungen wie „ich finde es großartig, dass du das als Frau machst“ als Kompliment gemeint sind. Wir Frauen können lesen und schreiben, wir studieren wissenschaftliche Fächer, wir bedienen große Maschinen und wir dürfen wählen und manchmal führen Frauen sogar ganze Unternehmen. Warum sollte es dann eine solche herausragende Leistung sein, etwas so furzeinfaches wie Segeln zu tun?
Manchmal habe ich den Eindruck, dass der Job des Skippers die letzte Bastion der Männlichkeit darstellt. Mann muss schon richtig stark sein, um das Boot an den Steg zu ziehen (statt das Eisenschwein mit deutlich mehr Kraft den Job machen zu lassen) oder die Genua richtig knalle dicht zu kurbel (statt einmal ganz kurz höher an den Wind zu gehen). Mann muss mindestens drei Ingenieursstudien erfolgreich absolviert haben, bevor man sich auch nur ein Voltmeter zulegen darf. Und so ein Boot kann sich natürlich nur ein Kerl leisten. Weshalb es dann auch eines Komplimentes bedarf, dass man das als Frau macht?
Wenn ihr uns loben wollt, dann bitte nicht dafür, dass wir das als Frau machen. Dafür haben wir nämlich nichts getan. Lobt uns, und alle anderen, gerne für schöne Anlegemanöver, schnelles Segeln, gut gepflegte Boote oder großartige navigatorische Leistungen. Das sind, geschlechtsunabhängig, alles nennenswerte Leistungen.
Alte Hunde und neue Tricks
Irgendwie scheint sich in der Seglerszene die Einstellung verbreitet zu haben, dass kein Mensch über 10 noch irgendetwas dazulernen kann. Wenn du bis dahin nicht Schweißen, Elektrik, Schreinern und Bootsfahren gelernt hast, ist es vorbei. Zugegeben, damit richten sich auch viele meiner Geschlechtsgenossinnen ein sehr bequemes Nest ein. „Kann ich halt nicht“ und schon muss man auch nichts mehr tun.
Guess what?
Genauso wie jeder Mann lernen kann, ein Bügeleisen zu bedienen oder Kinder zu betreuen, so kann auch jede frau DIE DAS WILL lernen, ein Boot zu führen. Die Kerle sind auch nicht als Skipper auf die Welt gekommen, selbst wenn sie gerne mal so tun. Segeln ist, weiß Gott, keine Raketenwissenschaft und für Rempler gibt es Versicherungen.
Die ganze hervorragende Annette Kilch sagt es immer wieder: Können kommt von Machen. Nur wenn man mal anfängt etwas zu tun, kann man es lernen. Scheitern gehört da dazu! Guckt doch mal einem kleinen Kind zu, das Laufen lernt. Wie oft fällt das hin? Gibt das deswegen auf? So wart ihr auch mal. Was hat sich seitdem geändert, dass ihr nun meint, nicht mehr lernen zu können?
Also Mädels, macht einfach mal. Passt mit den Seegatten auf und pflegt den Dieseltank, der Rest geht schon schief. Und Jungs, einfach mal die Fresse halten, INSBESONDERE wenn ihr meint, es besser zu wissen. Vielleicht zeigt ihr mal, wie schön ihr Leinen werfen könnt und erinnert euch daran, wie das war, als euch beigebracht worden ist, ein Boot zu fahren.
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