Winterlager

Da hatten die Dicke und ich noch einen fulminanten Saisonabschluss. Aber eben halt auch diesen. Also hieß es für mich: Putzen, Packen, allgemein: Einwintern.

Das Gute am Winterlager in Portugal ist, dass mit Frost nicht zu rechnen ist und man sich damit schon mal einiges spart. Für mich sind allerdings auch neue Aufgaben dazu gekommen. Das Dinghi sollte einmal abgespült und ordentlich weggepackt werden. Dabei ist mir auch gleich eine Stelle aufgefallen, die ich sicherheitshalber gleich mit einem Patch versehen habe. Eigentlich auch eher uncool, nach nur einer Handvoll Einsätzen. Anker und Ankerkette habe ich von Vegetationsresten entfernt, um nach dem Defekt in der Ankerwinde zu suchen blieb leider keine Zeit.

Robulla liegt in Povoa de Varzim in guter Gesellschaft

Wofür aber Zeit blieb, war für Menschen. Ein gemeinsames Abendessen mit Sabine und Ralph (Beluga), die ich wohl dann jetzt wirklich für längere Zeit nicht mehr sehen werde. Ein Plausch mit den Franzosen neben mir, die gerade meine Blogposts über ihr Heimatrevier dank Google Translate lasen und das ganz hervorragend fanden. Weil die Welt außerdem noch unfassbar klein ist, ein Klönschnack mit Martin und Astrid von der Pincoya. Martin hatte ich fast auf den Tag genau zwei Jahre zuvor in Figueira da Foz kennengelernt, als ich dort zum Mitsegeln war. Und dann noch ein netter letzter Abend mit Bier am Steg mit den Crews der Beluga, Azzurro und Vincenta.

Abschiede

Als ich dann mit allem fertig war, und nur noch in die Koje steigen musste, kamen die Emotionen. Es hieß nun Abschied nehmen, von den wunderbaren zufälligen Begegnungen, von den Traumstränden aber auch von den Herausforderungen, die mich so haben wachsen lassen in diesen nur vier Monaten. Übrigens nicht nur mental, sondern auch körperlich. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich schon mal einen derart wohlgeformten Bizeps hatte! Mir wird es fehlen, durch die Supermärkte zu schlendern und immer wieder Neues zu entdecken, neue Sprachen zu lernen und neue Perspektiven auf die Welt und das Leben einzunehmen.

Ich höre euch schon denken „aber du hast doch deinen Traum gelebt, freu dich über das was du hattest“. Wisst ihr, das eine schließt das andere nicht aus. Ich erfreue mich an meinen Erlebnissen und den daraus resultierenden Erinnerungen, und betrauere, dass es jetzt vorbei ist.

Es fällt mir auch schwer, zurückzubleiben. Aufgrund meiner normalen Arbeitswoche und den damit verbundenen zeitlichen Einschränkungen, bin ich schon die ganze Saison über immer wieder zurückgeblieben. Das bedeutete immer wieder Abschied nehmen von großartigen Menschen, die einfach schneller unterwegs waren. Nun bleibe ich 6 Monate zurück. Ich weiß genau, dass ich den ganzen Winter über mit schwerem Herzen vor dem Rechner sitzen werde und auf Vesselfinder verfolge, wie die anderen Crews schon viel weiter sind und für mich unerreichbar werden.

Aber!

Wenn ein Abschnitt zu Ende geht, fängt oft auch ein neuer an! Nicht nur das Boot geht ins Winterlager, sondern der Kater und ich auch. Das bedeutet zum einen, horrende Summen auszugeben, um dann aber gemütlich in einer trockenen Wohnung zu leben, ohne konstante Heizgeräusche. Zum anderen aber noch viel wichtiger: Meine Herzensmenschen in der Heimat wiederzusehen. Nicht nur mal kurz für einen Abend, sondern so richtig Qualitytime mit ihnen verbringen zu können.

Apropos Qualität. Lebensqualität gewinne ich im Winterquartier auch in einigen Punkten. Zum Beispiel ist „mal kurz eine Maschine Wäsche anschmeißen“ möglich. „Abwasch“ macht der Geschirrspüler und bedeutet nicht, erst Wasser erhitzen zu müssen. Duschen wird wieder selbstbestimmt: Wann ich will, solange ich will, bei der von mir gewünschten Temperatur. Ich muss mir auch nicht abhängig vom Wetterbericht überlegen, ob ich meine Wohnung woanders hinbringen sollte oder mir Sorgen machen, dass ihr wichtige Teile von großen Meeressäugern abgekaut werden.

Inzwischen bin ich schon fast eine Woche in Köln angekommen. Ich hatte erst geschrieben „Heimat“, das ist allerdings ein schwieriger Begriff für mich. Ich habe im September mein 10. Köln-Jubiläum gefeiert und damit ist Köln die Stadt, in der ich am längsten gelebt habe. Davor waren Taufkirchen, Berlin, Baden-Baden, Strasbourg, Wien und Frankfurt/Main. Viele Abschiede. Ich glaube, Köln ist jetzt meine Heimat, denn hierher komme ich zurück.

Anyway. Gestern habe ich mal meine Taschen ausgepackt und den Rest der Woche hatte mich durch die wichtigsten Elemente der Deutschen Küche gegessen: Schnitzel mit Bratkartoffeln, Haxe mit Sauerkraut, Currywurst mit Pommes, Döner und deutsches Brot mit Mett. In meiner nahen Zukunft sehe ich noch Sauerbraten und Rinderrouladen 😀

Haxe im „Gilden im Zims“

Was nun?

Nun gehe ich langsam in den seglerischen Winter über. Was bedeutet das? Das heißt, dass ich zunächst Inventur über die vergangene Saison machen werde: Zahlen, Daten, Fakten, aber auch, was ich gelernt habe, was meine Tops und Flops waren und was ich nächste Saison anders machen möchte. Womit wir beim Blick Voraus wären. Ich werde meine Finanzplanung aktualisieren (Energiekosten…) und darauf aufbauend prüfen, welche Investitionen an Robulla nächstes Jahr gemacht werden. Die „boot“ will vorbereitet werden (mit wem man sich trifft, welche Produkte angesehen werden wollen). Dann gibt es noch den Teil, der alles Vorhergehende motiviert: stundenlanges virtuelles Reisen in Google Earth, um die besten Ankerbuchten, die schönsten Naturschauspiele und lohnendsten Städte zu finden und dementsprechend in Navionics bereits eine Route zu skizzieren.

An all dem werde ich euch ausgiebig teilhaben lassen und vermutlich auch mal nach euren Erfahrungen und Meinungen fragen.

Jetzt aber freue ich mich erstmal auf meine Freunde, auf Weihnachtsmärkte und Käsefondue, auf Winterwanderungen und Seglerstammtische, und meinen anstehenden 40. Geburtstag.

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Eine Antwort zu „Winterlager“

  1. Avatar von Vosshage H. J .
    Vosshage H. J .

    Du machst alles richtig !!
    Respekt einfach weiter so und viel Glück.
    Du lebst deinen Traum.
    Grüße vossy

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