„Es ist nur Segeln“

Diesen Satz wiederholte ich in meinem Kopf, als ich vom Toilettenhäuschen des Port de Joinville zu meinem Boot ging. In meinem Kopf hatte ich dabei die Bilder der Vendée Globe Segler, wie sie den langen Steg entlang zu ihren Booten gingen, bevor die Regatta startete. Der Steg, an dem Robulla selber auch noch vor 3 Wochen lag.

Anfangs jedoch war gar nicht so viel mit Segeln, denn es war zu wenig Wind. Somit hat die Diesel-Genua in den ersten 5 Stunden noch etwas mitgeholfen. Dann aber brieste es auf, und bis auf ein kleines 2 Stunden „Flauten“-Fenster wehte der Wind mit kräftigen 15, tendenziell eher 20 Knoten aus N-NW-lichen Richtungen, also Robulla von schräg hinten auf’s Heck. Prinzipiell sind 20 Knoten aus achterlichen Richtungen echt geil, nur, wer hätte es gedacht, da baut sich auch eine mehr als imposante See mit auf.

Alles eigentlich kein Problem, wäre mir nicht bereits schon vor dem Ablegen etwas „plümerant“ gewesen. Diesen Zustand bin ich leider über die 54 Stunden, die meine Fahrt bis Viveiro gedauert hat, nicht mehr losgeworden. Ganz im Gegenteil, es kam dann auch noch ein mieser Kopfschmerz hinzu, bei dem auch die beste Ibu leider wirkungslos blieb.

Vorgestellt hatte ich mir eine Überfahrt bei strahlendem Sonnenschein, bei der ich nebenbei meinen nächsten Blogpost tippe, mein vorgekochtes Essen zu regulären Zeiten genieße, während um das Boot durchgehend Delfine frohlocken.

Jaaaa. Knapp. Es war bedeckt, Essen stellte sich als Herausforderung dar und von Delfinen weit und breit keine Spur. Der Kater ließ sich nur bei Nacht blicken. In der Zeit beschloss er, dass der einzig mögliche und akzeptable Schlafplatz mein Kopf ist. Was ganz großartig ist, wenn man sich eh nur 30 Minuten Ruhe am Stück gönnt.

Also nichts mit digital Detox und ganz entspannt ein bis drei Bücher lesen. Sondern stattdessen: Einfach nur Segeln. Irgendwo dazwischen habe ich noch etwas Nahrung in mich hinein gezwungen und meinen Nacht-Rhythmus auf den Tag erweitert.

Immerhin: Kitschiger geht ein Sonnenuntergang fast nicht

Aber: Segeln funktionierte! Kurs-Gedöns (man will ja schließlich am richtigen Ort ankommen), Reff-Management, Halsen bei gefühlten 4m hohen Wellen. In Stockfinsterer Nacht. Weil plötzlich recht voraus ein Gewitter auftaucht. Ging. Und, auch die zwei, drei Mal, als uns eine fiese Welle von der Seite erwischte und ein bisschen mehr als man es gerne hätte schräg legte, hatte ich keine Bedenken. „Die 3,2t Ballast werden das schon richten“ war mein Gedanke.

Gewitter-Voraus-Halse Nachts um 1 Uhr. Da kommt Freude auf!

Immerhin keine Begegnungen der unangenehmen Art. Weder mit AIS-losen anderen Gefährten, noch bisswütigen Orkas. Bis auf ein paar Möwen, die höchst professionell über das Wasser glitten, keine Besuche.

Also eigentlich insgesamt alles eher „möh“. Oder?

Weißte was, liebes lesende Wesen? Scheiß egal! Als ich ankam mag da Plümeranz und Kopfschmerz und Delfin-Abwesenheit gewesen sein, aber dieses Gefühl! ICH habe das geschafft! Ich hatte ein Ziel im Kopf und ich habe das durchgezogen und jetzt bin ich hier! Gerade, dass die Überfahrt trotz widriger Umstände eigentlich „ok“ war, das ist die Leistung.

Freitag 8 Uhr 35: Dicht in Wetter eingepackt, Land voraus!

Im Herzen weh tut mir, dass ich ein paar Menschen gerne von meiner Leistung erzählt hätte. Weil es sie stolz gemacht hätte und ihr Stolz mir wichtig gewesen wäre. So habe ich nur im stillen Zwiegespräch Robert und Ulla und Bertram davon erzählt, wie ihr kleines Mädchen über’s große Wasser gesegelt ist.

Und natürlich habe ich geheult. Als ich Land gesehen habe, als ich in die wunderschöne Ria einfuhr, als ich mich zum Anlegen bereit machte. Vor Freude und vor Erschöpfung und vor Überraschung über mich. Und weil mir die paar Menschen in solchen Momenten sehr fehlen.

Marco wartete schon im Hafen auf mich und nach dem Anlegen und Begrüßung gab es erstmal „dos cervezas por favor“!

Lessons Learned

Was nehme ich mit?

  • „moet koennen“ – funktioniert
  • Biskaya ist auch einfach nur Segeln
  • Wetterrouting! Geil!
  • Der Herd muss kardanisch
  • Die Bordapotheke ist in Köln bestimmt gut aufgehoben
  • 2 Tage 6 Stunden alleine reicht mir. Für Kanaren oder ähnliches würde ich aktuell Crew dabei haben wollen

Was noch?

Der allergeilste ist übrigens mein Kater. 17 Jahre alt, eigentlich eine reine Wohnungskatze, segelt hier 300sm über die Biskaya und im Hafen begrüßt er erstmal freundlich Marco. Cooles Vieh.

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8 Antworten zu „„Es ist nur Segeln““

  1. Avatar von Thomas Beck
    Thomas Beck

    Hehh, auf die Kanaren schafft du das genauso, du hast doch alles dazu!
    Das Material, dich, die Einstellung….
    Auf den Kanaren kannst du zwischen den Inseln gut Erfahrung sammeln und dann ab um die Welt!!!
    Nutze die Chance, genieße dein Leben!
    Jedes Jahr wo du älter wirst hast du mehr bedenken. Glaub mir, ich sehe es an mir selber.
    Und niemand, NIEMAND kann über Ozeane segeln ohne sich bewusst zu sein das es sein letzter Törn ist. Der beste Segler mit der besten Jacht nicht.

    Also Mädchen, nutze deine Chance, genieße den Zeitpunkt, dein Leben….

    Du kannst jetzt sagen, der alte Depp hat ja eh keine Ahnung. Ja stimmt gewissermaßen, aber glaube mir eines, je älter du wirst desto mehr Bedenken wirst du haben.
    ich sehe es an mir selbst und es ist ja auch normal.
    Du hast jetzt ein gutes Alter dafür, nicht zu jung für Vernunft, aber nicht zu alt für zu viele Bedenken.
    No Risk no Fun!
    Zum Abschluss. Mit einer Frau wie dir würde ich bedenkenlos um die Welt segeln!!!
    So und jetzt mach das beste daraus!👍🤗

  2. Avatar von Schnoy

    Aufschlussreicher Bericht. Und eine sehr schöne Sprache. Vielen Dank.

  3. Avatar von Karl -Ernst Dreier
    Karl -Ernst Dreier

    Hallo Saskia,
    der reine Zufall machte es möglich einiges von Deinen Ausführungen zu lesen.
    Elke und ich finden es großartig was Du alleine da geschafft hast, auch können wir sehr gut nachvollziehen, dass Du in bestimmten Momenten Deine Gedanken und Taten gerne mit Achim, Ulla und Bertram geteilt hattest.
    Für Deine weiteren Unternehmungen wünschen wir Dir alles Gute.
    Ganz liebe Grüße
    Elke und Karl-Ernst

  4. Avatar von Kokopelli
    Kokopelli

    Plümeranz ist ganz natürlich. Ich kenne sie auch solange ich segle. Und zwar immer dann, wenn ich ein neues, unbekanntes Vorhaben beginne. Oft hab ich dann über der Reling gehangen, aber fast immer habe ich den Grund dafür in mir gefunden. Es ist die erstmalige Herausforderung einer mit leichter Angst besetzten Situation, die mir buchstäblich auf den Magen schlägt. Und insofern eigentlich ein wertvoller Warnhinweis.
    Und das Schöne: gleich nach dem Einlaufen wechselt die Plümeranz sich mit dem Hochgefühl ab, es geschafft zu haben.
    Ich wünsche dir weiterhin gute Fahrt.

    1. Avatar von Sailing Robulla

      Ich wusste halt einfach gar nicht so richtig, wie ich das einordnen sollte. Ich werde nämlich nicht seekrank. Also eigentlich nicht. 😅

  5. Avatar von RainerF
    RainerF

    Einfach klasse, ich bewundere Dich dafür!

  6. Avatar von Mo
    Mo

    Danke für Das Teilen dieser wunderbaren sehr persönlichen Erlebnissen! Ich finde du kannst Mega stolz sein auf das was du geschafft hast! Und durch das Teilen machst du anderen Mut ihren eigenen Weg zu gehen! Ich bin noch nicht soweit aber ich träume davon…! Und am Anfang steht der Traum oder? Ich wünsche dir weiterhin den Mut deinen Traum zu leben!

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