Nachdem man eben ca. 2.500 Seemeilen im Kielwasser gelassen hat, wirkt ein Schlag von nur 90 Seemeilen nahezu lächerlich kurz. Da lohnt es sich fast nicht, die Fender wegzuräumen.
Allerdings können auch derart kurze Passagen sehr abwechslungsreich sein, wie uns dieser Trip lehrte. Wir liefen mal unter Motor durch die Flaute, hatten mal das Vollzeug oben, dann alles deutlich gerefft und zwischen diesen Zuständen wechselten wir dem Gefühl nach alle 30 Minuten. Auch zwischen strahlendem Sonnenschein und heftigen Gewittern, mit Blitzen direkt über uns machte das Wetter heftige Kapriolen und ließ Langeweile nicht im Keim aufkommen. Wir erlebten alles, was wir auf der langen Passage zuvor erlebten, nur halt in komprimierter Form.
Schwimmende Steine
Als wir auf dem letzten Schlag zum Hafen von Angra do Heroísmo waren, gab es für mich eine Novität. Ich sah einen schwimmenden Stein. Da Steine im Allgemeinen eher nicht für ihre Schwimmfähigkeit bekannt sind, sah ich mir die Chose etwas genauer an. Aha, kein Stein, sondern ein Rochen! Oder? Der vermutete Rochen wies einen seltsamen Buckel auf und mich traf die Erkenntnis: Eine Meeresschildkröte, meine erste! Ganz gemütliche plantschte das Tier im Wasser, während wir an ihm vorbeizogen. Das entschädigte ein wenig für die immer noch Versteck spielenden Wale, die doch hier an jeder Ecke rumlungern sollten.
Auf Empfehlung eines Bekannten haben wir abends mit den beiden Jungs der „Alwine“ eine lokale Spezialität genossen. Der/die/das „Alcatra“ ist in einer Art Römertopf geschmortes Fleisch, wobei großzügig Weißwein, Knoblauch und Gewürze wie Zimt, Lorbeer und Gewürznelken zum Einsatz kommen. Im Ergebnis führt da zu wunderbar zartem Fleisch, das von ganz allein zerfällt und dessen aromatische Sauce köstlich schmeckt. Dazu wird ein süßes Brot serviert und die Kombination ist vorzüglich.
Für den nächsten Tag, Sonntag, hatten wir uns nur einkaufen vorgenommen und aufgrund schäbigen Wetters fanden wir, war das genug Outdoor-Aktivität für den Tag. Sicherlich haben wir noch irgendwas im Boot gemacht. So ganz genau erinnere ich mich nicht. Wenn man mal so ein bisschen aus dem Alltagstrott mit Job und anderen Verpflichtungen raus ist, verschwimmen die Tage sehr schnell miteinander und welcher Wochentag gerade ist, ist auch egal.
Angra do Heroísmo und Umgebung
Da unser Angelglück bisher eher nicht-existent war, haben Dieter und ich etwas nachgeholfen und uns am darauffolgenden Tag auf dem lokalen Markt unter Einsatz von Euro-Ködern zwei wunderbare Fische aus der Familie der Brassen gefangen. Kostenpunkt 4,80€ für 1,3 kg frischen Fisch. Im Nachhinein betrachtet hätte ich vermutlich weniger Geld im Kölner Angelshop lassen sollen und dies sinnvoller in lokale Fischmärkte investiert. Vom Markt spazierten wir noch ein wenig durch die am Hang gebaute Stadt und waren verzückt von einem kleinen botanischen Garten. Dieser war zwar mitten in der Stadt gelegen, dennoch herrschte eine beeindruckende Ruhe in dem mit viel Liebe zum Detail angelegten Park.
Laut verschiedenen Reiseführern ist die Wanderung rund um den Monte Brasil eine der Haupt-Attraktionen Terceiras. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen, insbesondere weil sie direkt um die Ecke vom Hafen aus gelegen war. So packte ich meine sieben Sachen und machte mich auf die rund 8km lange und hervorragend ausgeschilderte Wanderroute.
In meinem letzten Beitrag erwähnt ich, dass es durchaus gut war, nicht nach Praia da Vitória sondern nach Angra do Heroísmo gefahren zu sein. Wären wir nämlich nach Praia gefahren, hätte ich vermutlich nie diese Wanderung angetreten und hätte einen der schönsten Ausflüge meines Lebens verpasst. Nicht nur, dass das Naherholungsgebiet rund um den Monte Brasil landschaftlich atemberaubend schön ist und den Zusatz „floral“ im Namen wahrlich alle Ehre macht.
Man fühlt sich außerdem über den Tag, als spiele man die Hauptrolle in einem Disneyfilm, die selbstverständlich und ganz natürlich mit der lokalen Tierwelt interagiert. Das fängt bei den unzähligen frei auf der Insel lebenden Hühnern und ihren wachsamen Hähnen an. Dann stehen da auch mal zwei Hirschböckchen am Wegesrand und lassen sich von den vorbeikommenden Ausflüglern so gar nicht beeindrucken. Von den ehemaligen Walbeobachtungsstationen aus kann man Delfin-Schulen beim Jagen zusehen. Die Luft vibriert vom Summen der Insekten und von den zig zwitschernden Vögeln fühlt man sich regelrecht angeschrien und dennoch ist die scheinbare Stille, die Abwesenheit von von Menschen verursachten Geräuschen, beindruckend. Als ich dann auch noch in eine Katzenkolonie stolperte, und umringt war von schnurrenden kleinen Wesen, dachte ich, ich träume. Ach ja, Pfauen, Truthähne, quasi auf jedem Stein eine Eidechse und sicherlich vergesse ich gerade noch etwas.
Vulkane, Höhlen und Freibäder
Obwohl das nun schon alles Grund genug für einen Besuch dieser Insel ist, hat sie noch mehr zu bieten. Um den Rest der Insel zu erkunden, teilten wir uns mit den Alwines einen Mietwagen und fuhren im Uhrzeigersinn um die „Dritte“ der Azoreninseln herum. Wie auch schon auf Faial, gibt es hier einige natürliche Pools, in denen man entweder ganz entspannt schwimmen oder das Abenteuer eines echten Wellenbads erleben kann. Der hiesige Vulkankrater ist ebenso beeindruckend wie einige kleinere Wasserfälle. Ein absolutes Highlight der Insel ist allerdings die begehbare Vulkanhöhle. Neben der „Algar do Carvão“ gibt es sonst weltweit nur zwei weitere von diesen für Besucher zugänglichen ehemaligen Vulkanschloten. Was wir auf unserer Tour leider verbummelt haben, sind die aktiven Schwefelquellen. Dafür hatten wir aufgrund von Umleitungen und meiner Streckenführung sehr interessante Erlebnisse mit den lokalen Straßen, die oftmals einfach nur eine unbefestigte Sandbahn waren, allerdings in einem erstaunlichen dunklen Rot gehalten und durch undurchdringbar dichte Wälder führten.
Zum Beginn und zum Abschluss unserer Tour mit dem Mietwagen auch wieder Entschleunigung pur: Kühe haben hier eindeutig Wegerecht und wenn sie zwischen Weide und Stall bewegt werden, haben Autofahrer nun mal zu warten.
Fast vergessen: Da sowohl Alwine als auch noch ein paar andere befreundete Boote, die auf anderen Inseln lagen, ähnlich wie Balu ans europäische Festland zurückwollten, tagte über die gesamte Zeit mehrfach täglich der Wetter-Rat. Das taten wir so ausführlich, dass ich darüber gerne im nächsten Beitrag berichten möchte.
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