Das Ding mit meiner Schreiberei ist folgendes: Um einen guten Beitrag zu schreiben, brauche ich diesen schon fast fertig im Kopf. Dann muss er nur noch geschrieben werden und das ist ziemlich einfach. Damit der Beitrag in meinem Kopf entstehen kann, muss da entweder Platz sein, also dürfen mich keine anderen Themen plagen, oder er muss auf dem Herzen brennen. In letzte Kategorie fällt zum Beispiel der Beitrag nach der Biskaya-Überquerung. Der war sogar schon vom Herzen in die Finger gewandert und war in weniger als einer Stunde geschrieben. Sonst braucht so ein Beitrag mit ein paar Fotos eher drei bis vier Stunden.
Die letzten Tage hatte ich so viel Kirmes in meinem kleinen Köpfchen, dass sich daraus nichts Verwertbares destillieren ließ. Nun sind Dinge klarer und Entscheidungen getroffen worden, oder zumindest in den letzten Phasen der Treffung und somit habe ich die notwendige Ruhe, um weiter zu berichten.
Ankommen
Nach meinem letzten Beitrag mussten wir erstmal in Horta ankommen. Einklarieren, Liegeplatz besorgen, schlafen. Nach knapp 18 Tagen Reise wollte auch das Boot ein bisschen Liebe erfahren und so hat nicht nur die Crew ausgiebig geduscht und Wäsche gewaschen, sondern auch die Balu hat ein wahrhaftes Spa-Programm erfahren.
Als das erledigt war, stand Tourismus auf der Tagesordnung. Selbstverständlich haben wir den Gin bei Peter Café Sport probiert. Sicherheitshalber mehrfach. Mit zu kleinen Stichprobengrößen lässt sich schließlich keine gute Erkenntnis gewinnen.
Selbstverständlich haben auch wir uns auf der legendären Mole verewigt. Allerdings haben wir es uns einfach gemacht und den bereits vorhandenen „Eintrag“ der Balu einfach ergänzt. Dennoch, ein ganz geiles Gefühl.
In der knappen Woche, die wir in Horta verbracht haben, bin ich jeden Tag über die Gemälde mir bekannter Crews gestolpert. Jedesmal war ich hocherfreut, sie hier zu treffen. Insgesamt sind die Bilder beeindruckend. Manche haben wahre Kunstwerke vollbracht. Besonders gefreut habe ich mich über jene, die auch ihre vierbeinigen Crewmitglieder aufgenommen haben.
Faial
Zusammen mit der Crew der „Garfield“ haben wir uns einen Mietwagen gegönnt und haben die Sehenswürdigkeiten Faials erkundet. Dazu zählen die riesige Caldeira mitten in der Insel, das zuletzt durch einen Vulkanausbruch in den 1950er Jahren gewonnene Neuland „Praia do Norte“ und Orte, die sich „Porto“ nennen und unter Otto-Normal-Seglern bei der Vorstellung, dort anlegen zu müssen, zu spontanen Angstschweiß-Ausbrüchen führen.
Die Insel hat mich schwer beeindruckt. Sie ist grün, in allen vorstellbaren Schattierungen, gesprenkelt mit den Farbtupfern der verschiedensten Blumen. Leider waren die Hortensien noch etwas schüchtern mit ihrer Blüte. Es gibt unzählige Weideflächen, auf denen Kühe glücklich wirkend stehen. Ab und an ein Pferd dazwischen. Manchmal aber steht auch ein Pferd in Horta vor der Kneipe geparkt. Insgesamt fühlte ich mich entschleunigt. Wenn etwas „heute Nachmittag“ passieren soll, darf man das getrost als „im Laufe der Woche“ interpretieren.
Eine Erfahrung, die für meine Großeltern in der Nachkriegszeit oder meine Verwandtschaft aus der ehemaligen DDR vermutlich zum Alltag gehörte, für mich allerdings sehr ungewohnt war, habe ich im lokalen Supermarkt „Continente“ gemacht. Von der Größe her mit einem Kaufland oder REWE Center zu vergleichen, hatte dieser bei unserem ersten Besuch keine Eier. Gar keine. Null. Für die Einwohner der Insel vollkommen normal, dass Dinge mal nicht käuflich zu erwerben sind, führte es mir vor Augen, wie derbe verwöhnt wir in Deutschland inzwischen sind. Ja, während Corona war mal das Klopapier oder das Mehl weg. Das war ausnahmsweise und nicht etwas, das regelmäßig passiert.
Und weiter?
Quasi auf einem Nebenschauplatz hatten Dieter und ich noch ein anderes Thema, das uns beschäftigte: Wetter. Die Balu soll ja nicht auf den Azoren bleiben, sondern bis ans europäische Festland gesegelt werden. Deshalb guckten wir regelmäßig, ob sich ein passendes Wetterfenster auftut. Wer die „New York-Vendée“ und insbesondere Boris Herrmanns Wettertaktik verfolgt hat, wird schon ahnen, dass unser Vorhaben nicht so einfach war.
Nachdem wir unser drittes Crewmitglied in seinen wohlverdienten Urlaub entlassen hatten und die Balu wieder mit Lebensmitteln und Diesel aufgefüllt worden war, beschlossen Dieter und ich, dass wir nun genug von Faial gesehen hatten und machten uns auf nach Terceira. Eigentlich wollten wir nach Sao Jorge, da hätten wir keinen Platz im kleinen Hafen bekommen und Wind und Welle standen ungünstig zum Ankern. Somit liefen wir fast zeitgleich sehr früh morgens mit der „Alwine“ aus, um die knapp 90 Seemeilen lange Fahrt nach Terceira anzutreten. Auch dort eigentlich nach Praia da Vitoria, auch da war alles voll, also ab nach Angra da Heroismo. Das war auch gut so, wie sich später herausstellte.
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